Die/der Obsorgeberechtigte einer minderjährigen Person bestimmt deren Aufenthalt, soweit die Pflege und Erziehung dies erfordert. Das Recht zur Bestimmung des Aufenthaltsorts von Minderjährigen setzt voraus, dass Pflege- und Erziehungsmaßnahmen noch notwendig und möglich sind. Im Zweifel entscheidet darüber das Pflegschaftsgericht.
In der österreichischen Rechtsordnung wird unter Pflege und Erziehung die umfassende Wahrnehmung jener Aufgaben verstanden, die der "Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte der/des Minderjährigen und der Förderung ihrer/seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten" dienen. Die/der Obsorgeberechtigte ist für die Pflege und Erziehung der minderjährigen Person verantwortlich.
Die Eltern haben bei der Pflege und Erziehung auf den Willen der/des Minderjährigen ausdrücklich Bedacht zu nehmen, soweit dem nicht ihr/sein Wohl oder die Lebensverhältnisse der Eltern entgegenstehen. Dabei ist der Wille der minderjährigen Person umso entscheidender, je mehr sie in der Lage ist, den Grund und die Bedeutung einer Maßnahme einzusehen und ihren Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen.
Ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung der/des Obsorgeberechtigten können Minderjährige ihren Wohnsitz und Aufenthalt nur dann selbst wählen, wenn
Eine mündige Minderjährige/ein mündiger Minderjähriger kann einen Mietvertrag nur dann selbstständig (ohne Zustimmung der/des Obsorgeberechtigten) abschließen, wenn das von ihr/ihm aus eigener Erwerbstätigkeit regelmäßig bezogene Einkommen (inklusive Familienbeihilfe) so hoch ist, dass die Bezahlung der Monatsmiete keine Gefährdung der Lebensbedürfnisse hervorruft.
Würden durch die Bezahlung der Monatsmiete die Lebensbedürfnisse der/des mündigen Minderjährigen gefährdet, ist der Mietvertrag bis zur ausdrücklichen Zustimmung der/des Obsorgeberechtigten "schwebend unwirksam" bzw. gilt der Mietvertrag ab dem Zeitpunkt, in dem die Zustimmung verweigert wird, als nicht abgeschlossen.
Ist es wegen einer schulischen oder beruflichen Ausbildung notwendig, dass Minderjährige die Schule an einem anderen Ort als ihrem Wohnort besuchen und zu diesem Zweck in Internaten oder einer eigenen oder anderen Wohnung untergebracht werden müssen, so ändert dies nichts an der Erziehungsverantwortung der/des Obsorgeberechtigten. Denn
Die/der Obsorgeberechtigte kann den Ausbildungswunsch einer minderjährigen Person nicht untersagen, wenn diese eine berufliche oder schulische Ausbildung beginnen will, für die sie die erforderliche Eignung aufweist und die die Unterbringung außerhalb des Haushaltsverbands (etwa in einem Internat) erforderlich macht.
Wenn die/der Obsorgeberechtigte die minderjährige Person gegen ihren Willen in den Familienverband zurückholen möchte, muss das Pflegschaftsgericht zustimmen. Das Pflegschaftsgericht prüft die besonderen Umstände des Einzelfalls und entscheidet, ob die Rückführung dem Kindeswohl entspricht oder im Interesse des Kindes vorläufig verweigert werden muss.
Weil Eltern nur dann die Rückführung der/des Minderjährigen durchsetzen können, wenn deren/dessen Pflege und Erziehung diese erfordern, lehnt das Pflegschaftsgericht eine Rückführung mündiger Minderjähriger beispielsweise in jenen Fällen ab, wenn
Mündige Minderjährige, die auf Wunsch oder mit Zustimmung der/des unterhaltspflichtigen Obsorgeberechtigten aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen und noch nicht selbsterhaltungsfähig sind, haben einen Rechtsanspruch auf Geldunterhalt.
Wenn die/der Minderjährige – auf Wunsch oder mit Zustimmung der/des unterhaltspflichtigen gesetzlichen Obsorgeberechtigten – aus der gemeinsamen Wohnung auszieht und die/der Obsorgeberechtigte der/dem Minderjährigen eine andere unentgeltliche Wohnmöglichkeit zur Verfügung stellt, ist dies als Naturalunterhaltsleistung zu werten und auf den Anspruch auf Geldunterhalt anzurechnen.
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